Delikatessen und Spezialitäten in Zentral-Borneo.

Wenn man einen anderen Kulturkreis betritt und die Chance hat, dass man von den Mitgliedern eines Stammes nahezu als Familie bezeichnet wird, ist es unvermeidlich, dass man in verschiedene Gewohnheiten, Bräuche und Abläufe mit einbezogen wird. Schnell findet man Gefallen an einigen Dingen und lernt auch ebenso schnell dazu. Jedoch nichts zeigt einen kulturellen Unterschied so gravierend wie die tägliche Nahrungsaufnahme. Speisen die für uns eine Gaumenfreunde sind, treiben anderen Kulturkreisen die Galle hoch und genauso natürlich auch umgekehrt. So bedenke man doch, dass der von uns geliebte Käse, nichts anderes ist als verdorbene Milch. Ich möchte hier eingangs erwähnen, dass einige Bilder vielleicht etwas Ekel in unserem westlichen Kulturkreis bewirken können, wie z.B. ein erlegtes und zerteiltes Tier. Wenn Du auch so empfindest, solltest Du vielleicht einen meiner anderen Beiträge lesen.

Wenn ich in den Dörfern unterwegs bin, wo man mich kennt, helfe ich auch gerne auf Feldern oder bei der Ernte. Je nach Jahreszeit gibt es unterschiedliche Aufgaben zu tun. Im folgendem Beispiel bin ich mit ein paar Frauen aufs Feld gegangen und wir haben Maniokwurzeln (Manihot esculenta) geerntet. Von dieser Pflanze wird alles verwendet, ausgenommen ist hier der dünne Stamm. Die Blätter (=daun ubi / laun ubi) werden gekocht und es wird ein recht bitteres vegetarisches Gericht daraus bereitet. Die Wurzeln werden gekocht, frittiert oder getrocknet verwendet. Ich favorisiere die frittierte Variante, dann schmecken diese Wurzeln wie Pommes frites, jedoch sind sie insgesamt fester. Gekocht werden diese gern mit Zucker zubereitet und ergeben so eine tolle Süßspeise. Vor der Zubereitung muss jedoch die dicke braune Schale entfernt werden. Dies wird noch auf dem Feld gemacht so kann dieser Abfall direkt als organischer Dünger verwendet werden.

Ich habe viele tropische Länder rund um den Globus bereist und in vielen Dörfern temporär gelebt, konnte so natürlich eine Vielzahl von Speisen probieren. So auch eines meiner letzten Erlebnisse: meine Freunde aus der indonesischen Grenzregion in Borneo gehen für Ihren eigenen Nahrungserwerb jagen. Hier wird entweder mit einem Blasrohr oder mit einem selbst gebastelten Gewehr gejagt, vor allem in der Regensaison werden Wildschweine (Sus barbatus) (Bahasa=babi utan) gejagt. Bei der Jagd schießt man unverzüglich auf das Wildschwein, da die Tiere auch sehr wehrhaft sein können.

Bei einer Jagd zum reinen Nahrungserwerb – denn Märkte zum Einkaufen sind zwei Tagesreisen entfernt – kann es auch passieren, dass man ein trächtiges Tier erlegt. Die Orang Ulu Völker Borneos sehen sowas als absolute Delikatesse an und es ist wirklich eine Seltenheit, dass man so ein Tier erlegt. Ich war selbst ein wenig erstaunt, dass diese noch ungeborenen Ferkel gegessen werden, aber zum Vergleich. Bei uns isst man Kälber, die sich in ihrem Stall nicht bewegen dürfen, damit diese keine Muskeln aufbauen. Nachdem ich meine anfängliche Skepsis überwunden hatte, bewunderte ich in erster Linie, dass diese Menschen es noch verstehen wirklich alles von einem Tier restlos zu verwerten. In der westlichen Überflussgesellschaft ist dies längst nicht normal, vor allem wenn es um innere Organe der Tiere geht.

Ich gebe zu, dass mir nicht wohl dabei war, ein solches ungeborenes Ferkel zu essen. Aber die Dorfbewohner versprachen mir, dass es solch eine Möglichkeit nur selten gibt und ich diese Chance nutzen sollte. In Gedanken hatte ich dabei meinen verstorbenen Stiefvater und meine verstorbene Mutter, beide waren Köche bzw. Küchenmeister und hätten mich wohl bei meiner Rückkehr zu dem Geschmack befragt, also probierte ich diese uns fremde und absurde Delikatesse mit den Gedanken an meine viel zu früh verstorbene Familie.

Die Ferkel wurden in einer Art Suppe gekocht, mit allen inneren Organen, der Körper wurde nur in der Mitte zerteilt (transversalebene). Beim Anblick bekam ich Mitleid, aber natürlich möchte man nicht, dass diese Tiere umsonst gestorben sind daher suchte ich mir also ein Teil mit den unteren Extremitäten aus. So schaute mich zumindest kein Ferkel an.

Der Geschmack lässt sich kaum beschreiben, da wirklich sehr wenig Fleisch an so einem Ferkel ist, was nicht verwunderlich ist. Die Konsistenz des Fleisches ist unbeschreiblich zart, ich nutzte Freunden gegenüber den Satz „wenn euch Kalbsfleisch zu zäh ist, probiert ungeborene Ferkel“, dies trifft es ganz gut – wie Butter lässt sich das Fleisch am Gaumen zerdrücken. Die inneren Organe schmecken nicht typisch, so sind Nieren und Leber geschmacklich nicht wirklich voneinander zu unterscheiden. Alles in allem traf diese Speise nicht meinen Geschmack. Anfänglich war ich schockiert, aber dies hängt mit Sicherheit damit zusammen, dass unser westlicher Kulturkreis die „Ware“ Fleisch nur in der verpackten Form kennt und mit dem Tod eines Tieres überhaupt nicht mehr konfrontiert wird. In einem Dorf mitten im Regenwald lernt man den Wert von Fleisch zu schätzen, ist dem Tier dankbar und behandelt das Fleisch mit Respekt und verwertet das komplette Tier restlos.