Die Rückreise während der SARS CoV2 Pandemie.

Ein Virus aus China hat das alltägliche Leben weltweit lahmgelegt, auch Borneo blieb davon nicht verschont. Dieser Blogeintrag unterscheidet sich maßgeblich von allen anderen „Abenteuern“ die ich bisher schriftlich veröffentlicht habe. Das Reisen ist derzeit Eingeschränkt und betrifft vor allem die Gruppen, die mit mir in diesem Jahr den Regenwald von Borneo, Papua oder Papua-Neuguinea erkunden wollten. Ich reiste Anfang Februar nach Borneo um eine Expedition mit einigen Wissenschaftlern vorzubereiten, schon zu dieser Zeit grassierte das Virus in China und Hongkong, jedoch war zu diesem Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass wir uns nur wenige Wochen später in einem Lockdown befinden würden. Die Wochen vergingen und wir hatten einige wissenschaftliche Erfolg, auf unserer Expedition, zu verbuchen. Es war der 15. März 2020, ich machte mich mit ein paar Studenten auf dem Weg von Miri nach Bintulu, dort schliefen wir eine Nacht um am nächsten Tag dem 16. März wie geplant Kuching zu erreichen.

Angekommen in der Zivilisation, konnte ich endlich alle meine Emails und Nachrichten in Ruhe lesen, ich las etwas von einer Ausgangssperre die uns in Sarawak wohl bevorstünde, zu dem Zeitpunkt klang das ganze mehr wie eine utopische Meldung aus einem Science-Fiction Film, aber am 17. März wurde dies tatschlich in die Tat umgesetzt. Die Regierung hat eine Ausgangssperre ausgerufen, man durfte nur noch das Haus verlassen um Lebensmittel zu kaufen – natürlich nur mit Maske.

Im Bewusstsein der Leute ist dieser Umstand aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich angekommen. Es regte sich Widerstand gegen diese „Freiheitsberaubung“, die ja eigentlich gar keine ist, sondern nur ein Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft des eigenen Landes. Es gab wie überall ziemlich viele Falschmeldungen (fake news) von vermeintlichen „Fachleuten“ der sozialen Medien, viele Menschen hielten sich nicht an die Regeln und trafen sich noch immer in verschiedenen Foodcourts oder zu sonstigen Freizeitaktivitäten, somit war die Regierung gezwungen den Lockdown zu verlängern, ebenso wurde es unter Strafe gestellt die Maßnahmen „Lockdown“ zu nennen, viel mehr wurde aus diesem negativbehafteten Wort die „MCO“ => Movement Control Order, darauf folgten weitere Verlängerungen, so gab es auch noch die „CMCO“ => Conditional Movement Control Order und zu guter letzt die derzeit (Stand 1. Juli 2020) noch immer andauernde Recovery Movement Control Order. In den ersten zwei Phasen der MCO gab es viel Auflagen, so war es verboten zu zweit im Auto zu sitzen, zum Einkaufen konnte also nur eine Person aus dem gleichen Haushalt. Zu Fuß gehen war ebenso nicht erlaubt, da sich niemand unnötig lang draußen Aufhalten sollte. Wer also kein Auto hatte musste von den zahlreichen Lieferdiensten (Grab, Food Panda und Co) Gebrauch machen. Diese Lieferdienste erfuhren während der MCO und CMCO einen regen Zulauf. Eine Bezahlung von Gütern war in vielen Geschäften nur Bargeldlos durch Sarawak-Pay, Banktransfer oder Kreditkarte möglich. In der zweiten Phase der MCO wurden alle Foodcourts und Restaurants geschlossen, ein Betreten der Supermärkte war nur noch zulässig, wenn man sich zuvor unter Aufsicht die Hände wäscht und desinfiziert, ein Mundschutz ist selbstredend obligatorisch. Im Gegensatz zu Deutschland oder anderen westlichen Ländern, gab es in Sarawak keine Hamsterkäufe, alles war zu jeder Zeit in ausreichender Menge verfügbar – ja sogar Toilettenpapier.

Natürlich kann man sich über strenge Maßnahmen wie eine Ausgangssperre beschweren, aber ich sehe das weit weniger schlimm. Unsere Großeltern hatten viel Schlimmeres in den beiden Weltkriegen zu ertragen und wir waren nur gezwungen Zuhause zu bleiben, auf der Couch zu sitzen und Netflix zu schauen. Mir persönlich fehlte die Bewegung, so schlich ich jede Nacht zwischen 1Uhr und 3Uhr raus um vor dem Haus 10 – 15km zu laufen, ich konnte nicht weit laufen da die Polizei und das Militär die Hauptverkehrsstraßen bewachten und Straßenblockaden aufgebaut hatten. Jeder, der die Ausgangsperre nicht befolgte drohte eine Strafe von mehreren Tausend Ringgit (meist waren es ca. 1100EUR). Also joggte ich 80m die Straße runter und wieder hoch, die ganze Zeit im Kreis bis ich soweit ausgepowert war. Diese monotone Tätigkeit verbesserte jedoch meine Fähigkeit den Sternenhimmel zu deuten, dieser sieht in den Tropen völlig anders aus als bei uns in Mitteleuropa.

Mein Visum war unlängst abgelaufen, ich machte mir Sorgen, dass ich eine Strafe zahlen muss, denn die Immigration sagte mir schon, dass eine Verlängerung eines Visums nicht möglich sei. Von der deutschen Botschaft erhielt ich jedoch die Nachricht, dass ich innerhalb der MCO oder CMCO nicht ausreisen muss. Das war witzig, denn die Botschaft hatte es irgendwie nicht so ganz verstanden, dass Sarawak auf der Insel Borneo liegt und es schon seit mehreren Wochen keinen Flugverkehr mehr gab. Auch Rückholflüge, wie sie die Bundesregierung versprochen hatte, galten nicht für Deutsche die sich in Malaysia befänden, denn es gäbe ja noch kommerzielle Flüge aus Malaysia / Kuala Lumpur – anscheinend hatte auch die Bundesregierung nicht das Problem verstanden, dass Borneo eine Insel ist und ich gar keine Möglichkeit hatte nach Kuala Lumpur zu kommen. Eintönige Wochen vergingen, zwischen Gartenarbeit, Computerspielen und Netflix verging die Zeit nur schleppend. Am 11. Juni war es soweit, die CMCO sollte enden und wir durften wieder offiziell raus, jedoch waren immer noch eine Vielzahl von Geschäften geschlossen und auch die Nationalparks waren geschlossen. Das Reisen zu anderen Städten oder Dörfern war ebenso nicht erlaubt, aber immerhin durfte ich jetzt offiziell Joggen gehen – aufgrund der Hitze tat ich das allerdings vornehmlich weiterhin in der Nacht. Eine Sorge hatte ich weiterhin, mit Beendigung der CMCO begann eine Frist für mich, ich muss nun innerhalb von 14 Werktagen ausreisen und das obwohl es keine Flugverbindungen gibt. Ich überprüfte mehrfach täglich die Seiten der Airlines und hoffte auf Neuigkeiten. Ein Transit in Singapur Changi war noch immer nicht möglich, also muss ich wohl oder übel über Kuala Lumpur fliegen. Am 24. Juni konnte ich endlich einen Flug Buchen, dieser war mit 1860EUR extrem teuer aber die einzige Möglichkeit, in Richtung Heimat aufbrechen zu können. Mein Flug sollte am Samstag starten, ich packte mal wieder viel zu knapp meine Sachen und kam am Flughafen von Kuching (KCH) an, der Flughafen war noch immer so leer wie ich es nur von den vereinzelten Fotos aus Facebook kannte. Ich checkte ein, mein Gepäck sollte angeblich nur 14.8kg gehabt haben, seltsam!

Der Flug nach Kuala Lumpur war ruhig und ich schaute bei der Landung aus dem Fenster, es war schon fast 15 Jahre her als ich zuletzt in Kuala Lumpur war und ich war mir sicher damals nicht soviel Ölpalmen (Elaeis guineensis) gesehen zu haben. Die Boeing 737-800 landete mit einer Verspätung von 30min in KUL, es war 15:30Uhr und ich wusste bereits, dass ich mein Gepäck wieder einchecken muss, so lief ich zum Gepäckband schnappte meinen Koffer und lief zu dem Counter um mein Gepäck der nächsten Airline zu übergeben. Auf dem Weg zu dem Counter war ich schon verwundert, denn es schien ich sei der einzige Fluggast denn sämtliche Counter der verschiedenen Airlines waren geschlossen. Nun ist es ja normal, dass man erst drei bis vier Stunden vor Abflug das Gepäck abgeben kann. Ein kurzes Gespräch mit zwei Polizisten verriet mir, dass die Counter erst zwei Stunden vor Abflug öffnen würden. Mein geplanter Abflug war 22:30, also musste ich noch etwa fünf Stunden warten. Womit vertreibt man sich die Zeit auf einem Flughafen, der verwaist scheint? Ich lief auf und ab und schaute nach Geschäften wo ich denn was zu essen oder wenigstens Wasser kaufen konnte, dies war allerdings nicht von Erfolg gekrönt – denn jeder Laden auf dem gesamten Flughafen war geschlossen, selbst die Fastfoodkette mit dem goldenen „M“ war geschlossen. Da saß ich nun, hungrig und durstig und mein Flug war noch nicht einmal auf den “Abflug-Tafel” angezeigt. Einen Tag zuvor las ich einen Artikel in einer Tageszeitung, dass die Airports Malaysias schon wieder mit beinah 100% Auslastung arbeiten würden. Dies war also die „beinah 100% Auslastung“ – alle Geschäfte geschlossen und mehr Flughafenmitarbeiter auf dem Gelände als Reisende.

Es war nun 22Uhr und der Counter meiner Airline war noch immer nicht geöffnet, was sollte ich machen? Ich darf aufgrund der Einreisebestimmungen nicht nach Malaysia einreisen und zurück nach Sarawak darf ich als Ausländer auch nicht, also hieß es warten mit einer großen Portion Ungewissheit. Noch immer hungrig und unglaublich durstig, erwäge ich die Möglichkeit Wasser aus dem Wasserhahn zu trinken, jedoch befinde ich mich in einem tropischen Land, viele der Wasserleitungen wurden wahrscheinlich schon lange nicht mehr gespült und eine explosionsartige Vermehrung einiger Bakterien wie Legionella ssp. in den Leitungssystem war nicht auszuschließen. Ich entschied mich weiter durstig zu bleiben. Gegen 23Uhr öffnete ein Schalter einer anderen Airline, ich ging dort hin und fragte ob ich nicht mit dieser Airline fliegen könne um zumindest mal raus aus Malaysia zu kommen. Nach einem kurzen Gespräch fand ich heraus, dass mich die ursprüngliche Airline wegen einer zu geringen Auslastung auf genau diese Airline umgebucht hatte – na sowas.

Es war also soweit nach über 161 Tagen in Malaysia und mehr als drei Monaten in Ausgangssperre durfte ich Malaysia endlich verlassen. Mit meinem Ticket in der Hand lief ich zur Immigration und übergab meinen Reisepass, ich musste noch ein Formular ausfüllen warum ich denn länger blieb als mein Visum es zuließ und schon konnte ich zum Gate laufen, auch hier das gleiche Bild – jedes Geschäft geschlossen, teilweise war auch die Ware aus den Regalen geräumt. Nur etwa 30 Reisende waren auf dem ersten Flug, die Maschine war eine neue A350-1000, mein erster Flug mit dem modernsten Flugzeug von Airbus. Beim Betreten des Flugzeugs vernahm ich direkt den Geruch von Desinfektionsmittel, der Innenraum wurde wohl sehr gründlich damit gereinigt. Das Erlebnis „fliegen“ und der Service an Bord waren definitiv nicht mit den Zeiten vor CoVid-19 zu vergleichen.

Die meisten Caterer am Flughafen haben ihren Betrieb heruntergefahren oder zum großen Teil eingestellt, das macht sich beim Essen während des Fluges bemerkbar. Auch muss man während des gesamten Fluges einen Mund/Nasenschutz tragen. Die Flugbegleiter selbst, waren noch mehr geschützt: eine Schutzbrille die einen ungewollten Hand-Augen-Kontakt vermeiden sollte, Handschuhe, einen Mundschutz und eine Art Lackiereranzug. Es muss furchtbar unbequem sein mehr als 12 Stunden in solchen Anzügen zu arbeiten. Mit einer kleinen Verspätung von 40minuten starteten wir und kurz nach dem Abendessen schlief ich auch schon ein und freute mich einen Schritt näher an der Heimat zu sein, wenngleich auch noch weitere Ungewissheiten auf mich warteten.

Ich persönlich bin gespannt wie sich diese Branche in den nächsten Monaten oder Jahren entwickeln wird und wie das Reisen in der Zukunft wohl aussehen wird. Vielleicht wird es ja ganz normal, dass wir nur noch unter Reinraumbedingungen in andere Länder fliegen dürfen.